Hallo Zusammen,
Anfang des Monats hat mich der Carlsen Verlag nach Tutzing eingeladen zur Veranstaltung „Die Magie des Erzählens“ in der evangelischen Akademie eingeladen. Gemeinsam mit zwei weiteren Bloggern, Sanne von Papierplanet und Rabea von der Pageturner. Ich kannte beide Mädels noch nicht, aber wir haben uns auf Anhieb sehr gut verstanden und konnten so mit einer guten Basis in ein fantastisches Wochenende starten.
Freitag 04.05
Nach knapp sieben Stunden Zugfahrt bin ich endlich im kleinen Tutzing, direkt am Stanbergersee, angekommen. Tutzing ist ein ruhiges kleines Örtchen, aber hat zwei Buchhandlungen. Sanne und ich waren gleich gemeinsam stöbern. Die evangelische Akademie bot eine unglaublich schöne Kulisse. Ein wundervoller Garten und fantastische Bauten, im Herrenhausstil, waren die perfekte Lokation für ein magisches Wochenende rund um Harry Potter. Ich bin mir sehr sicher, dass auch bisschen Magie in der Luft lag. Nach dem Abendessen startete die Tagung voll durch. Es gab eine kleine Einführung von Judith Stumptner (stellvertretende Akademiedirektorin) was uns an diesem Wochenende so erwartet. Es gab sogar ein kleines Spiel, bei dem die Teilnehmer sich etwas kennenlernen konnten. Einfache Ja/Nein Fragen wurden gestellt, welche mit einem Aufstehen (Ja) und Sitzenbleiben (Nein) beantwortet wurden. Tatsächlich waren sogar Teilnehmer dabei, die Harry Potter nie gelesen haben. Darauf folge das erste Panel:
Die Fantasy und das 21. Jahrhundert
Philipp Theisohn, Professor für Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Zürich, und Dietmar Dath, Autor und Redakteur der FAZ sprachen über die Bedeutung von Fantasy im 21. Jahrhundert. Leder driftete das Gespräch sehr schnell ab und verlor sich in einer sehr gehobenen fachbezogenen Sprache der ich (als Literaturwissenschaftler) leider nicht immer folgen konnte. Mich überkam die Angst, dass ich das ganze Wochenende kein Wort verstehen würde. Inhaltlich wurde viel über die Ursprünge der Fantasy gesprochen, welche sich in der Science Fiction finden. Fazit des Panels war es, dass man nicht unbedingt an Elementen das Genre ausmachen kann, da die Grenzen sehr stark verschwimmen.
Samstag 05.05
Tag zwei startete mit einem ausgesprochen guten Frühstück, bei bestem Wetter. Der erste Vortrag klang vielversprechen, aber etwas genaues konnte ich mir
nicht drunter vorstellen.
Diesseits von Hogwarts oder: Zauberkunst als „Lehrberuf“?
Peter Rawert (Honorarprofessor an der Universität Kiel und Notar in Hamburg) entführte uns zu den Ursprüngen der Magie. Er hat einer der größten Sammlung an historischen Zauberbüchern. Mit kleinen Tricks machte er seinen Vortrag unglaublich abwechslungsreich. Mit einem Löffel im Mund erklärte er, dass es spiel spannender wäre einen Löffel in eine Gabel zu verwandeln statt den Löffel zu verbiegen. Er nahm den Löffel aus dem Mund und es war eine Gabel – fantastisch und witzig. Er beschränkte sich in seinem Vortrag natürlich auf einfache Magier wie Gaukler, Zauberkünstler und Taschenspieler, liebevoll „Muggel-Magier“ genannt. Zauberei entsteht durch Manipulation und Ablenkung. „Magie setzt die Denk- und Naturgesetzte außer Kraft. Sie formt die Welt nach dem Willen des Zauberers.
Vagabundierende Bücher – Materialität und Metafiktion im Medienverbund um Harry Potter
Ich habe mir noch nie Gedanken über die Rolle von Büchern in Büchern gemacht. So war dieser Vortrag für mich sehr spannend. In Harry Potter werden Bücher nur zum Lernen verwendet. Sie haben keinen literarischen Wert. Nicht mal Hermine hat je in Harry Potter ein Buch gelesen allein zur Unterhaltung. Christine Lötscher, Kulturwissenschaftlerin und Literaturkritikerin im Institut für Sozialanthropologie und Empirische Kulturwissenschaft an der Universität Zürich, stellte eine wunderbare These anhand des „Monster Buch der Monster“ auf. Nachdem Harry weiß wie er mit dem Buch umzugehen hat bietet es sich mit all seinem Wissen dem Le
ser an. Entscheidend ist also der richtige Umgang mit Büchern und deren Inhalt.
Schnarchkackler und Einhart Pfützensee: Die Harry Potter-Bücher in deutscher Übersetzung
Das ein Buch mit der Übersetzung stehen und falle kann ist glaube den meisten von uns klar. Besonders Wortwitze sind in der Übersetzung oft schwer zu übernehmen. Susan Kreller (Schriftstellerin, Literaturwissenschaftlerin und Journalistin in Bielefeld) hat die Übersetzung von Harry Potter durch Klaus Fritz unter die Lupe genommen und uns ihre Eindrücke in diesem Vortrag gut näher gebracht. Besonders schwer war es in der Übersetzung die Höflichkeitsformen der deutschen Sprache einzubauen. Im Englische sprechen alle immer mit „you“ und wir haben es uns ja um einiges schwerer gemacht. Harry stand Voldemort schon oft gegenüber und im deutschen bekommen einige Szenen noch viel mehr Ausdruck dadurch, dass Harry Voldemot nicht nur Tom nennt, sondern ihn auch duzt. Viele Worte ließen sich nicht übersetzen und so mussten neue Wortschöpfungen her. Der Schnarchkackler z.b. ist eine der Wortschöpfungen und auch die Quidditch vereine brauchen teilweise neue Namen so z.B. entstand Eintracht Pfützensee. Im englischen lassen sich einige Wortspiele finden, z.B. der Knight Bus (der Nachtbus und der Ritterbus) der im deutschen zum Fahrenden Ritter (Ritter, die von Hof zu Hof reisen) wurde. Eine gute Übersetzung ist sehr wichtig und wir sollten vielmehr auch auf die Übersetzter erwähnen und ihre Arbeit schätzen.
Texten ein Gesicht geben – Werkstattgespräch
Eva-Maria Magel (Redakteurin der FA) moderierte das letzte Penal des Tages. Isabel Kreitz,(Comiczeichnerin aus Hamburg) und Sabine Wilharm (Zeichnerin und Illustratorin) sprachen über das illustrieren von Büchern und wie weit die eigene Interpretation reicht. Frau Kreitz illustrierte unter anderem Büchern von Erich Kästners und Frau Wilharm ist die Illustratorin der ersten deutschen Harry Potter Cover. Beide erklärten, dass ihre Arbeit immer weniger von Hand geschieht, sondern vieles auch am Computer erstellt wird. Frau Wilharm erinnert sich noch gut and die Zeit, als sie Harry Potter ein Gesicht geben durfte. Harry sollte zusehen und eine Szene aus dem Buch. So entstand also das Harry take a Selfie Cover 😉
Am Nachmittagen hatt
en wir bisschen Zeit das wundervolle Wetter und die Lokation zunutzen. Wie Blogger so sind, haben wir erst einmal Fotos gemacht. Es sind wundervolle Aufnahmen dabei entstanden. Auf unseren Instagramaccounts könnt ihr diese auch immer wieder sehen. Abends trafen sich alle in den wunderschönen Salons um über Bücher zureden. Die Stimmung war toll und Verlegerin Renate Herre nahm sich für uns drei etwas Zeit und erzählte etwas von ihrer Arbeit. Ein spannendes Gespräch, bei dem ich viel mitgenommen habe.
Sonntag 06.05
Im Dickicht der Bezüge: Harry Potters intertextueller Kosmos
Mit Intertextualitäten hatte ich mich noch nie groß Beschäftigt und meine Sorge war groß, dass dieser Vortrag bisschen trocken sein könnte, doch er war ganz anders und eins meiner absoluten Highlights. Emer O’Sullivan (Professorin für Englische Literaturwissenschaft an der Leuphana Universität in Lüneburg) stellte uns die Bezüge u
nd Anspielungen zwischen Harry Potter und der Realität vor. Neben den offensichtlichen Punkten wie Religion und Mythen konzentrierte sich Frau O’Sullivan aber auf Literatur, europäische Geschichte und englische Selbst- & Fremdbilder. J.K. Rolling ist großer Fan von Jane Austen. Sie holte sich einige Inspirationen aus Austens Büchern und bot einige kleine Brücken zu deren Geschichten. So z.B. heißt die Katze von Filch Mrs. Norris wie die kratzbürstige Tante Norris aus dem Roman „Mainsfield Park“. Die höheren Töchter und Söhne der englischen Gesellschaft pflegten immer eine Affinität zu Internaten und bildet einen großen Anteil an der britischen Geschichte. So bedient sie sich am klassischen Internatsleben (welches ich nur bestätigen kann). Die Anreise per Bahn, die Ausflüge ins Dorf und die Affinität zum Sport. Ebsno Schuluniformen, Wappen, eine Hymne und ein Schulmotto. Auf dem Wappen von Hogwarts steht übrigens das Motto: Draco dormiens nunquam titillandus (lat. etwa: Kitzle nie einen schlafenden Drachen). Faszinierend fand ich die Darstellung des englischen Selbstbildes. Die anderen Häuser verkörpern beide ein extrem, Hogwarts hingegen ist ein gemischtes Mittelmaß. Sogar Verbindungen Dumbledore und Winston Churchill lassen sich entdecken. Dubledore Rede über „dunkle Zeiten“, in Harry Potter und der Feuerkelch, nach Cedrics Tod erinnert stark an Churchills „Darkest Hour“ erinnert. Es gibt auch viele Bezüge zur europäischen Geschichte. Grindelwald starb z.B. im gleichen Jahr wie Hitler, 1945. Besonders in „Harry Potter und der Orden des Phönix“ lassen sich starke parallelen zur deutschen Geschichte erkennen, die Verfolgung von Muggelstämmigen z.B. oder auch die Unterdrückung von magischen Wesen. Über die diese und weitere Intertextualitäten könnte man stundenlang sprechen und es wäre nur ein Bruchteil. Das war mein absoluter Highlightvortrag
Erben oder plündern? Harry Potter und seine Nachfolgerinnen und Nachfolger
Im Vorhinein war dies der Vortrag, auf den ich mich am meisten gefreut habe. Leider wurde ich stark enttäuscht. Ich dachte es würde um Bücher gehen, die Elemente aus Harry Potter verwenden und diese neu Erfinden und so zu würdigen potentiellen Nachfolgern werden könnten. Leider wurde über Bücher gesprochen die mir und auch den anderen Bloggern nicht bekannt waren. Michael Schmitt (Literaturredakteur bei ZDF/3Sat Kulturmainz) sprach aus meiner Sicht bisschen am Thema vorbei und seine Argumente waren nicht sonderlich Aussagekräftig. Sanne von der Pageturner bringt noch ein weiteres Thema gut auf den Punkt. Ich selber könnte es nicht besser sagen, deswegen hier ein Ausschnitt aus ihrem Beitrag:
„Ich hatte gehofft, dass auf Rainbow Rowells Der Aufstieg und Fall des außergewöhnlichen Simon Snow eingegangen wird, ein Buch, das ganz offensichtlich auf Harry Potter anspielt und – wie eine Teilnehmerin zurecht angemerkt hat – die ganzen Lücken behandelt, die Rowling in ihrer Buchreihe nicht gefüllt hat, unter anderem Plotlöcher, Logikfehler und vor allem Rep
räsentation von Minderheiten. Daraufhin entgegnete Herr Schmitt, dass ihn das Geschmachte Simons für Baz sehr gestört habe, was einen „Bis(s)-ähnlichen Charakter“ (die Bücher von Stephenie Meyer) hätte – was für mich an diesem Punkt ein irrelevantes Argument war, wenn es doch im Vortrag um Nachfolger*innen ging.“
Ich hatte wirklich ein wundervolles Wochenende und möchte mich herzlichst beim Carlsen Verlag für diese tolle Chance bedanken. Danke auch an die evangelische Akademie in Tutzing für das Durchführen der Veranstaltung und die tolle Betreuung. Ein weiteres Danke geht an Sanne und Rabe für die schöne Gesellschaft, die Fotos, die Gespräche und das ausgiebige Lachen. Harry Potter ist ein Phänomen, welches über Generationen hinweg begeistert und ich hoffe, dass noch viele Generationen folgen.
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